Strukturierte Unfallrettung: Ambitionierter Workshop in Rückersdorf

Das strukturierte Vorgehen bei der technischen Unfallrettung stand am 26. September im Fokus eines ambitionierten Workshops bei der Feuerwehr Rückersdorf. Neben eigenen Einsatzkräften nahmen auch eine Abordnung der Feuerwehr Schnaittach sowie einzelne Einsatzkräfte weiterer Wehren und des Rettungsdienstes teil.

Abstimmung und Kommunikation entscheidend

Die Unfallrettung nach einem Verkehrsunfall bewegt sich oft in einem Spannungsfeld zwischen Schnelligkeit auf der einen und schonendem Vorgehen auf der anderen Seite. Die konkrete Situation und der Zustand des Verunfallten sind dabei endscheidend für die richtige Wahl des Vorgehens. In diesem Zusammenhang ist ein wechselseitiger Informationsfluss zwischen dem mit der Rettung betrauten Einheitsführer der Feuerwehr einerseits und dem medizinisch Verantwortlichen Notarzt oder Einsatzkraft des Rettungsdienstes andererseits unerlässlich.

Strukturiertes Vorgehen im Fokus des Workshops

Im theoretischen Teil des Workshops griff der stellv. Kommandant Lauerer den hohen Stellenwert eindeutiger Kommunikation und expliziter Abstimmung im Zusammenhang mit der oft sehr begrenzten Zeit, die für die Rettung einer verunfallten Person zur Verfügung steht, auf. Auch paralleles Arbeiten sei unter zeitlichen Beschränkungen unerlässlich. Zudem besprach Lauerer mit den Teilnehmern die Möglichkeiten und Grenzen der Standardisierung von Einsatzabläufen und stellte eine für die Feuerwehr Rückersdorf erarbeitete Standardeinsatzregel vor. Diese dient bei Ausbildung und Einsatz als Orientierungshilfe und Gerüst für eine strukturierte Unfallrettung.

Anschließend stellte der Leiter des Sachgebiets Geräte und Technik bei der Feuerwehr Rückersdorf, Dipl.-Ing. Lutz, zahlreiche Rettungstechniken vor. Dabei zeigte er, dass es für ähnliche Lagen oft alternative Vorgehensweisen gibt, die spezifische Vor- und Nachteile aufweisen. So kann eine Option etwa schneller umsetzbar, eine andere aber schonender sein. Detailliert ging Lutz insbesondere auf jene Rettungstechniken ein, die im Verlauf des Workshops praktisch anzuwenden waren.

Große Bandbreite an Rettungstechniken: Vom „Tunnel“ bis zur „Oslo-Methode“

Die Teilnehmer des Workshops absolvierten im praktischen Teil vier Stationen. An Station 1 besprachen sie mit den Ausbildern Lutz und Asfeld – Gruppenführer bei der Feuerwehr Rückersdorf – zunächst alternative Strategien bei einer Seiten- und Dachlage. Anschließend galt es, die Rettung nach Sicherung eines Fahrzeugs in Dachlage einerseits dem Drehen des Fahrzeugs auf die Räder mit anschließender Rettung andererseits praktisch gegenüberzustellen.

An Station 2 trainierten der Rückersdorfer Feuerwehrarzt Dr. Braeske sowie Rettungsassistent und Gruppenführer Heide mit den Teilnehmern die Rettungstechniken „Tunnel“ und „Fischdose“. „Tunnel“ ist durchaus wörtlich zu verstehen und beschreibt den Weg eines Patienten auf einer speziellen Trage durch das Heck des Fahrzeugs ins Freie. Auch die „Fischdose“ symbolisiert ein wesentliches Element der Technik – das Aufreißen des Fahrzeugdachs am Heck, über das auch hier der Patient aus dem Fahrzeug gerettet wird. Braeske und Heide schulten dabei auch den Umgang mit der sogenannten Rettungsboa, einer Art Schlinge, mit deren Hilfe ein Patient auf engem Raum bewegt werden kann.

Die dritte Station sah paralleles Arbeiten mit zwei hydraulischen Rettungssätzen vor. Es galt zunächst die Seiten eines Fahrzeugs zu entfernen. Da es sich beim Übungsobjekt um einen Dreitürer handelte, war für den Fahrzeugfond fahrer- und beifahrerseitig eine entsprechende Öffnung zu schaffen. Im Anschluss erweiterten die Teilnehmer den Fußraum des Fahrzeugs, um eine Einklemmung in diesem Bereich zu beseitigen. Hierzu durchtrennten sie Versteifungen, öffneten den am Schweller angrenzenden Bereich unterhalb der A-Säule und setzten schließlich Rettungsspreizer zum Anheben und Rettungszylinder zum Abkippen der Fahrzeugfront ein.

Die vierte Station sah zunächst die Beseitigung einer Einklemmung ohne hydraulisches Rettungsgerät vor. Dies sollte allein durch den Einsatz von speziellen Ketten und der Vorbauwinde eines Feuerwehrfahrzeugs erreicht werden. Das auch „Oslo-Methode“ genannte Vorgehen kann unter spezifischen Umständen eine Alternative zum heute in Deutschland gebräuchlicheren Einsatz von hydraulischem Gerät sein. Die Teilnehmer besprachen sich mit den Ausbildern kurz zur Anwendung der in skandinavischen Ländern verbreiteteren Technik bei einer Verformung des Fahrzeugs an der B-Säule nach Seitenaufprall. Anschließend verbanden sie die erste Kette, die an der in das Fahrzeuginnere eingedrungenen B-Säule angeschlagene wurde, mit der Vorbauwinde eines Feuerwehrfahrzeugs. Zwei weitere Ketten – an der A- und C- Säule der anderen Fahrzeugseite angeschlagen – verbanden sie mit einem gegenüberstehenden Einsatzfahrzeug. Es gelang, die Verformung an der B-Säule zu beseitigen. Allerdings stellte sich heraus, dass die verzögerte und eher grobe Reaktion der Vorbauwinde auf Steuerbefehle nachteilig ist. Insbesondere besteht die Gefahr, dass sich das Fahrzeugdach absenkt und Fahrzeuginsassen gefährdet, wenn die B-Säule zu weit nach außen gezogen wird.

Die zweite Aufgabe sah den bekannteren Einsatz der „Oslo-Methode“ nach angenommenem Frontalunfall vor. Allerdings folgte man mit einer Variation der Methode dem Vorschlag eines Gruppenführers der Feuerwehr Lauf. Bösch beschäftigt sich derzeit mit einer Veröffentlichung zu dieser Technik. Statt der maschinellen Zugeinrichtung eines Feuerwehrfahrzeugs dienten zwei zunächst geöffnete Spreizer als Zugmittel. Die Teilnehmer schlugen Ketten an A- und C-Säulen des Fahrzeugs an, setzten Entlastungsschnitte, die eine Fußraumerweiterung ermöglichen und durchtrennten Frontscheibe sowie A-Säulen. Nach diesen Vorarbeiten wurden die Spreizer geschlossen – mit beeindruckender Wirkung: Der Fußraum erweiterte sich deutlich und die Fahrzeugfront klappte weit ab. Die Nutzung der Spreizer als Zugmittel zeigte zwei Vorteile: Zum einen kann die mechanische Wirkung besser dosiert werden. Zum anderen ist es jederzeit möglich nur an einer der Ketten zu ziehen. Beides ermöglicht einen sehr zielgerichteten Krafteinsatz.

Das Feedback der insgesamt 24 Teilnehmer nach dem Workshop fiel positiv aus: Insbesondere der intensive Austausch zwischen Angehörigen verschiedener Feuerwehren, die stets in „gemischten“ Teams arbeiteten, war fruchtbar. Positiv bewertet wurde daneben die direkte Gegenüberstellung alternativer Techniken, die deren Vor- und Nachteile offensichtlich machte. Auch der Einsatz eines zusätzlichen Ausbilders für die Belange von weniger erfahrenen Feuerwehrdienstleistenden war sinnvoll: Gruppenführer Alt stand während des praktischen Teils insbesondere den dienstjüngeren Mitgliedern der Feuerwehr Rückersdorf zur Verfügung. Diese hatten sich im Rahmen der Mitgliederwerbung erst vor kurzer Zeit entschlossen, die Feuerwehr aktiv zu unterstützen. Abschließend dankte Lehrgangsleiter Lauerer den Ausbildern und Teilnehmern.


Bericht: Michael Lauerer
Fotos: Ferdinand Lindner